Die Wahrnehmung

Der Mensch erfasst alle seine Wahrnehmungen über die Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen. Sein Gehirn kombiniert Wahrnehmungen und formt daraus die bewusst erlebte Welt. Durch sein Sehen und Fühlen erkennt er die drei Dimensionen des Euklidschen Raums unserer Anschauung. Was passiert dabei? Versuchen wir eine Analyse der Wahrnehmung und wählen das Sehen, denn es erscheint von den fünf Sinnen der komplexeste zu sein.

Was passiert im Einzelnen, wenn wir die in der Sonne schillernden Regenbogenfarben eines Ölflecks in einer Pfütze betrachten? Helles, fast weißes Licht gelangt von der Sonne auf den Fleck und wird dort vielfach gebrochen und reflektiert. Teilstrahlen kommen zur Interferenz mit der Folge, dass jede Farbe einen eigenen Weg in unser Auge findet. Dort werden die Strahlen von der Linse auf die Netzhaut abgebildet und dort wiederum von einem Array von lichtempfindlichen Zellen, Photosensoren also, absorbiert. Mit seinen jeweils auf Rot, Grün oder Blau optimierten drei unterschiedlichen Sensortypen spannt sich ein dreidimensionaler Farbraum auf, und aus diesen drei Farbkoordinaten ‚errechnet‘ unser Gehirn alle wahrnehmbaren Farben und übermittelt so die Buntheit des Gesehenen an unser Bewusstsein.

Das menschliche Auge hat drei Arten von Sensoren, und jede ist auf eine Farbe spezialisiert. Jeder Sensor erzeugt ein elektrisches Signal, dass über verzweigte Nervenbahnen schließlich zum großen Signalprozessor geleitet wird, dem Cortex. So entsteht nach vielen Teilschritten im Hirn eine Repräsentation des schillernden Ölflecks in zwei mal drei Dimensionen: drei Farbdimensionen und zwei räumliche Dimensionen. Die dritte Dimension, die Entfernung, muss das Hirn erst aus der Parallaxe, dem kleinen Unterschied der Bilder in linkem und rechtem Auge, errechnen.

Gehen wir tiefer ins Detail. Licht besteht aus Photonen. Jetzt reduzieren wir die Intensität des Sonnenlichts so stark, das nur mehr einzelne Photonen die Pfütze treffen. Dann gibt es kein Bild, sondern nur vereinzelte Impulse ans Gehirn, das diese nicht mehr als Wahrnehmung erkennen und ausblenden würde. Die Pfütze wäre schwarz.

Wir behelfen uns mit einem Trick und verwenden einen ‚Verstärker‘: einen Film, oder einen photoelektrischen Sensor, den wir so lange belichten, bis die einzeln eintreffenden Photonen wieder das schillernde Bild erzeugen können, das wir dann wiederum mit dem Auge betrachten. Bei Verwendung von Stereokameras und guter Phototechnik wird der Eindruck dem realen Bild bei heller Sonne täuschend ähnlich sein.

Jetzt wollen wir analysieren, wie ein einzelnes Photon zum Entstehen des Bilds beiträgt. Es wird von der Sonnenoberfläche emittiert, gelangt nach einer langen Reise schließlich auf die Pfütze, bemerkt den Ölfleck, wird gebrochen, reflektiert und erreicht schließlich die Kamera, wo es von der Linse auf den Film abgebildet wird und dort eine elektrochemische Reaktion auslöst oder auch nicht. Bis hierhin enthält das einzelne Photon alle Farben des schillernden Ölflecks, umfasst seine gesamte räumliche Struktur und trifft mit all diesen Informationen auf alle Silberhalogenidkörner des Films! Und dann passiert ein magischer Moment: das Photon entscheidet sich, ein ganz bestimmtes Korn anzusprechen. Ein Photon kann nur einmal ein bestimmtes Korn zu einer Änderung seines elektrochemischen Zustands bewegen. Erst in der Wiederholung und Mittelung sehr vieler derartiger Vorgänge entsteht das Bild des Ölflecks auf dem Film.

Die Gesetze der Physik beschreiben den gesamten Weg des Photons bis zum Film sehr präzise, es gilt die Quantenmechanik. Das Photon testet auf seinem Weg von der Sonne zum Film alle erdenklichen Wege und entscheidet sich für denjenigen, dessen Pfadintegral die Wirkung längs des Weges minimiert. Die Anwendung dieses Prinzips führt in seiner einfachen Form zu den bekannten Gesetzen der Optik mit Reflektion, Interferenz, Brechung und Beugung. Das allgemeine Prinzip gilt grundsätzlich und immer, nicht nur für Photonen, sondern auch für die Bewegung jedweder Teilchen. Richard Feynman hat dieses Prinzip sehr anschaulich formuliert und die wesentlichen Pfade graphisch dargestellt. Das mittels der Diracgleichung bereits bis zur Feinstruktur erklärbare Spektrum des Wasserstoffatoms zum Beispiel kann noch sehr viel genauer erklärt werden, wenn nur die dem Elektron möglichen Wege nach dem Prinzip von Feynman noch genauer genug verfolgt und berechnet werden.

Wir aber interessieren uns hier nicht für berechenbare Feinheiten, sondern für das Grundsätzliche, den magischen Moment beim Verschwinden eines Photons und der dadurch verursachten elektrochemischen Veränderung im Film! Hier nun stehen wir vor dem elementaren Akt einer Messung, den es zu verstehen gilt. Im entscheidenden Moment wird eine elementare Alternative ‚entweder A oder B‘ entschieden:

  1. das Photon verschwindet und bewirkt eine elektrochemische Reaktion an einem bestimmten Korn
  2. alles andere

Jede Wahrnehmung basiert auf einem derartigen Messprozess!

Wir wollen den Messprozess nun genauer betrachten und wählen dafür ein möglichst einfaches System.

Das kleinste denkbare physikalische System kennt nur zwei Zustände. In der Wahrnehmung, also nach einer Messung, ist das System entweder im Zustand A oder[1] im Zustand B, eine elementare Alternative, A oder B, Null oder Eins. Ein Bit, nach Shannon.

Eine vielfache Wiederholung von Messungen desselben Zustands ergibt beliebig genaue Zahlen P(A) und P(B) für die Wahrscheinlichkeit, dass A oder B gefunden wird, reelle Zahlen zwischen Null und Eins. Ich kann nun (zB durch Ausprobieren) mein Messgerät so einrichten, dass es für Zustände A immer anspricht und für Zustände B nie, und nenne einen derart eingestellten Apparat das ‚auf A optimierte Messgerät‘. Also hat ein beliebiges Zweizustandssystem in der Wahrnehmung immer ein Bit Information.

Die Physik gönnt einem Zweizustandssystem aber mehr Freiheit, ist es doch ein Paar von zwei komplexen Zahlen v und w, nämlich die Wahrscheinlichkeitsamplitude v für den Zustand A und eine andere Wahrscheinlichkeitsamplitude w für den Zustand B. Zwei komplexe Zahlen aber sind eine vierdimensionale Angelegenheit! Nun ist ein Paar komplexer Zahlen ein Punkt in einem vierdimensionalen Raum und den Menschen nicht leicht vorstellbar. Doch es geht einfacher, da ja die Wellenfunktion normiert sein muss und auch ein Phasenfaktor e ^ { i \varphi } unbeobachtbar bleibt, zwei Dimensionen fallen heraus. So brauchen wir am Ende nur das Verhältnis der beiden komplexen Zahlen v und w, und auch dieses Verhältnis v/w ist wieder eine komplexe Zahl. Also beschreibt eine einzige komplexe Zahl den Zustand des kleinstmöglichen physikalischen Systems: ein Quantenbit (Qbit).

Komplexe Zahlen sind auf der Gaußschen Zahlenebene darstellbar, und bereits Bernhard Riemann hat gezeigt, wie ich diese unendlich ausgedehnte Ebene auf die Oberfläche einer Kugel abbilden kann, die Riemann-Sphäre. So also erkennt man, dass sich ein Qbit als Oberfläche einer Kugel im dreidimensionalen Raum visualisieren lässt, und der Wert des Qbit durch einen Punkt auf dieser Oberfläche repräsentiert wird.

Ein Elektron in seinem Ruhesystem hat als einzigen Freiheitsgrad das Vorzeichen seines Spins und ist damit ein Beispiel für ein Zweizustandssystem.  Für dieses System hat die Riemannsphäre die anschauliche Eigenschaft, die Spinrichtung anzugeben:

Der Wert eines Qbit entspricht einem Punkt in der komplexen Zahlenebene. Diese wird durch eine Riemannsphäre dargestellt: jeder Punkt der komplexen Zahlenebene erscheint auf der Sphäre in einer stereographischen Projektion als Schnittpunkt der Geraden vom Südpol durch u. Eine vom Südpol ausgehende Gerade schneidet die Kugeloberfläche und die komplexe Zahlenebene genau einmal, und diese beiden Punkte werden identifiziert. Damit ist eine eindeutige Abbildung der komplexen Zahlen auf eine Sphäre gegeben. Die tangential vom Südpol ausgehenden Geraden verlaufen parallel zur Ebene und schneiden diese also nie, sie entsprechen dem Unendlichen. Der komplexe Einheitskreis e ^ { i \phi } wird auf sich selbst abgebildet, Punkte im Inneren dieses Kreises auf die Nordhalbkugel, Punkte außerhalb auf die Südhalbkugel.

Der Wert l _ { Z } der z-Komponente des Drehimpulses eines massiven Teilchens mit Spin 1 / 2 kann in seinem Ruhesystem nur als + 1 / 2 oder - 1 / 2 gemessen werden, bei beliebig wählbarer Richtung für die z-Achse. In der Abbildung zeigt die z-Achse nach oben. Am Nordpol liegen die Zustände mit l _ { z } = + 1 / 2  \ ( v = 0 , w = 1 : v / w = 0 ), und am Südpol Zustände mit I _ { z } = - 1 / 2  \ ( v = 1 , w = 0 : v / w = \infty ). Für jeden anderen Zustand (s,t) mit s/t =: u gibt es einen ‚optimierten‘ Apparat, dessen Achse parallel zur Ausrichtung des Spins ist. Anschaulich liegt der Zustand (s,t) auf dem Schnittpunkt einer Geraden vom Südpol  durch u, und eine Gerade vom Ursprung der Sphäre durch diesen Schnittpunkt ist parallel zur Ausrichtung des für ‚u optimierten‘ Messapparats. So ist ein Qbit in der Anschauung eine komplexe Zahl, ein Punkt auf einer Kugel oder eine Richtung im dreidimensionalen Euklidschen Raum.

Eine Drehung der Spinrichtung lässt den Zustandspunkt auf der Riemannsphäre wandern. Bei einer Drehung um 360° erreicht der Zustand den gleichen Punkt u = v/w, aber die Amplituden v und w wechseln ihr Vorzeichen:

(1)   \begin{equation*}  u = \frac { v } { w } \stackrel { 360 ^ { \circ } } { \longrightarrow } \frac { - v } { - w } = u \end{equation*}

Ohne diesen nach einer Drehung um 360° entstehenden Vorzeichenwechsel der Wahrscheinlichkeitsamplituden und das daraus folgende Pauli-Prinzip aber würde unsere Welt nicht existieren!

Hier erleben wir bereits die geheimnisvolle Macht des ‚Entanglement‘, der Verschränkung von zwei oder mehr Zuständen, ein rein quantenmechanisches Phänomen, bei dem die Phasen der beteiligten Zustände von immenser Wichtigkeit sind. Es handelt sich um ein Mehrteilchenphänomen. Im Falle des Elektrons führt das Entanglement, also die Verschränkung, zweier Elektronen dazu, dass diese nie denselben Zustand einnehmen können:

Weil eine Drehung der Raumkoordinaten des Euklidschen Anschauungsraums um 360° unsere Wahrnehmung nicht beeinflusst, müssen beide Möglichkeiten (ursprünglicher Zustand A und um 360° gedrehter Zustand A') überlagert werden: die Natur geht immer alle möglichen Wege! Andererseits wechselt der quantenmechanische Zustand A aber sein Vorzeichen: aus A = (u,w) ist A' = (-u,-w) = -A geworden, und die Überlagerung dieser beiden Möglichkeiten A und -A ergibt Null!

Jetzt zur Messung: wie funktioniert sie, wie kommen wir von der Riemann-Sphäre mit ihren überabzählbar unendlichen Oberflächenpunkten zu dem Shannon’schen Bit der Informationstechnik? Wie kommen wir vom Qbit zu einem Messergebnis, von einem Zustand im Hilbertraum zu einer Ja/Nein Entscheidung? Was beschreibt die geheimnisvolle Transformation eines Zustands | v | A > + w | B > mit kompletter Information über die Phasen und allen Fähigkeiten einer Verschränkung hin zu messbaren Wahrscheinlichkeiten P(A) und P(B), mithin also reellen Zahlen?

Die Quantenmechanik beschreibt die zeitliche Entwicklung von v(t) und w(t) exakt, erklärt nicht aber die Entwicklung von (v,w)(t) zu P(A)(t) und P(B)(t)! Solange wir die Wahrscheinlichkeitsamplituden betrachten, ist jeder Vorgang auch in umgekehrter Zeitrichtung möglich. Die Wahrscheinlichkeiten P(A) und P(B) zum Zeitpunkt ( t + \Delta t ) sind mit Kenntnis von (v,w)(t) leicht berechenbar. DochdieserSchritt ist unerklärt[2] und irreversibel: ist die Phaseninformation erst einmal verloren, kommt sie nie mehr zurück! Hier ist die Stelle, an der die Entropie beim Messprozess entsteht. Und genau hier implodiert die Unendlichkeit unserer Kugeloberfläche, das Qbit, in einen einzigen Punkt, das Shannon’sche Bit, die Ja/Nein Entscheidung.

Ein System, von dem wir nur Messergebnisse kenne, kann durch eine Wahrscheinlichkeitsmatrix beschrieben werden:

    \begin{equation*} \widehat { W } = p | \psi > < \psi | + q | \varphi > < \varphi | + , \ldots , s | \chi > < \chi |\end{equation*}

Dabei sind p, q, …, s die Wahrscheinlichkeiten, das ein auf | \psi > , | \varphi > , \ldots , | \chi \rangle optimierter Detektor ausschlägt. Diese Wahrscheinlichkeitsmatrix \widehat { W } kann für einen beliebigen Zustand | W > experimentell ermittelt werden und ist gleichzeitig die maximal ermittelbare Information zu | W >. Ich muss nur mein Gerät nacheinander in eine auf | \psi > , | \varphi > , \ldots , | \chi \rangle optimierte Position bringen und ermittle durch wiederholtes Messen in jeder Position die Wahrscheinlichkeit, mit der mein unbekannter Zustand dort zu einem Signal führt.

Aus dieser Prozedur ergeben sich bestimmte Forderungen an \widehat { W }: die Summe p + q + … + s muss zwischen Null und  Eins liegen, schließlich handelt es sich um Wahrscheinlichkeiten. Sie kann durchaus kleiner Eins oder sogar Null sein, denn der unbekannte Zustand kann sich in einer Lage ‚verstecken‘, auf die ich mein Messgerät noch nicht optimiert habe oder vielleicht gar nicht einstellen kann. Dann würde er in jeder der für die Definition von W verwendeten Messungen zum Signal Null führen. Falls dies der Fall sein sollte, ist meiner Messung nun doch ein mir offensichtlich nicht zugänglicher Teil der Realität entgangen, und diese ‚Realität‘ nenne ich einfach | U >, das Unbekannte. Auch das Unbekannte kann ich als Zustand verstehen und bei der Definition der Wahrscheinlichkeitsmatrix einschließen, und erst jetzt ist sie vollständig und alle Wahrscheinlichkeiten summieren sich zu Eins, denn irgendwo muss mein Zustand ja sein: entweder im von mir vermessbaren Teil des Universums oder im Unbekannten. Die neue, jetzt vollständige Wahrscheinlichkeitsmatrix nennen ich Dichtematrix \widehat { D }:

    \begin{equation*} \widehat { D } = p | \psi > < \psi | + q | \varphi > < \varphi | + \cdots + s | \chi > < \chi | + t | U > < U |\end{equation*}

Für eine beliebige Observable O, die durch einen Operator \widehat { O } auf einen Zustand wirkt, ist der Erwartungswert von O im Zustand | Z > gleich  < Z | \hat { O } | Z >. Für eine exakte Berechnung müsste ich den Zustand | Z > kennen. Doch die Welt ist komplex und kein Gedankenexperiment. Es zeigt sich, dass die exakte Berechnung eines realen Experiments prinzipiell unmöglich ist. Es bleibt immer ein Rest, ein unbekannter Zustand | U >, den ich nicht in einer Rechnung erfassen kann.

Eine praktisch durchführbare Berechnung des Erwartungswerts bedient sich der Dichtematrix, und mit ihr gilt

    \begin{equation*} < \hat { O } > = < Z | \hat { O } \hat { D } | Z > \end{equation*}

Jetzt ist alles viel einfacher, denn \widehat { D } | z > überlässt das nicht messbare Unbekannte im Ungewissen und wertet nur messbare Wahrscheinlich­keiten aus!

Da die Dichtematrix aus Wahrscheinlichkeiten konstruiert wurde, ist sie nicht negativ definit. Da sie alle Zustände erfasst, ist ihre Spur gleich Eins. Und da sie Erwartungswerte von Observablen liefert, ist sie Hermitesch.

Der allgemeinstmögliche hermitesche Operator mit Spur 1 hat die Form

    \begin{equation*} \widehat { D } = \frac { 1 } { 2 } \left( \begin{array} { c c } { 1 } & { b + i c } \\ { b - i c } & { 1 - a } \end{array} \right) \end{equation*}

und somit auch die Dichtematrix. Diese Matrix ist nur dann nicht negativ definit, wenn für die Punkte a, b, c gilt

    \begin{equation*} a ^ { 2 } + b ^ { 2 } + c ^ { 2 } \leq 1 \end{equation*}

Die Punkte a, b, c liegen offensichtlich im Innern einer Kugel, wir nennen sie die Bloch-Kugel. Die Oberfläche der Bloch-Kugel entspricht der Riemann-Sphäre. Dies ist sehr anschaulich: nachdem wir zuvor festgestellt haben, dass ein reiner Zustand durch einen Punkt auf der Riemann-Sphäre gekennzeichnet ist, erkennen wir jetzt, dass dieser reine Zustand auf den gleichen Punkt auch wieder auf der Blochkugel zu liegen kommt[3].

Betrachten wir nun den Zustand \frac { 1 } { \sqrt { 2 } } \left( \left| \frac { 1 } { 2 } > + \right| - \frac { 1 } { 2 } > \right) auf der Riemannsphäre. Die zugehörige Dichtematrix entspricht der Einheitsmatrix, denn die Wahrscheinlichkeiten sind ja für beide möglichen Messergebnisse  | + \frac { 1 } { 2 } > ) und | - \frac { 1 } { 2 } > ) gleich groß:

    \begin{equation*} \frac { 1 } { 2 } \cdot \left( \begin{array} { l l } { 1 } & { 0 } \\ { 0 } & { 1 } \end{array} \right) \end{equation*}

Für diese Dichtematrix ist a = b = c = 0, sie liegt also im Ursprung der Bloch-Kugel. Aus der Symmetrie ist evident, dass diese Dichtematrix keinerlei Richtungsinformation trägt: Jeder andere Zustand auf dem Großkreis senkrecht zur x-Achse würde zu derselben Dichtematrix führen.

Blochkugel

Die dreidimensionale Blochkugel repräsentiert alle möglichen Dichtematrizen eines Zweizustandssystems. Im Ursprung liegt die Einheitsmatrix: sie beschreibt Systeme, bei denen die beiden möglichen Messergebnisse gleich wahrscheinlich sind. Jede Dichtematrix L im Innern der Kugel hat eine vieldeutige Ontologie, unendlich viele Zustandspaare führen zu L: die beiden Schnittpunkte einer Geraden durch L mit der Kugeloberfläche bezeichnen zwei reine Zustände, und L kann als eine Linearkombination dieser beiden Zustände aufgefasst werden.

Information geht verloren und Entropie entsteht!

Sind nun zwei Teilchen und zwei Qbits beteiligt, zaubert die Quantenmechanik mit ihren Interferenzen und Korrelationen und ihrer Verschränkung Phänomene in die Realität, die auch einem Messapparat nicht mehr verborgen bleiben: Teile des geheimnisvollen und in seiner Gänze nicht beobachtbaren Quantengeschehens gelangen nun doch an die Oberfläche des Wahrnehmbaren! Hier liegt die Kraft der Idee eines Quantencomputers. Dafür brauchen wir aber mehr als nur ein Qbit, und auch die Quantenmechanik wird dann erst richtig spannend.

Nehmen wir also ein weiteres Teilchen hinzu und betrachten jetzt zwei Elektronen und damit zwei Qbits. Dann wird es wieder schwerer mit der menschlichen Anschauung, denn jetzt haben wir nicht nur eine, sondern zwei komplexe Zahlen.

Hier nun nimmt sich die Quantenmechanik gnadenlose Freiheit, keineswegs beschränkt sie sich nur auf das einfache Zusammenfügen der Einzelzustände, nein, sie gestattet, jedwede Kombination von Zustandspaaren! Hätte das einzelne Teilchen also R mögliche Zustände, so haben zwei Teilchen keineswegs 2R Zustände, sondern R ^ { 2 }! Hier ahnt man bereits die ungeheure Komplexität der realen Welt mit ihren vielen Teilchen und ihren vielen Zuständen. Wird die Welt erst nach einem Kollaps der verschränkten Wellenfunktionen so einfach, dass ein Mensch sie wahrnehmen kann? Wie aber funktioniert dieser Kollaps? Welchem Weg folgt die Physik von der komplexen unbeobachtbaren Quantenwelt hinein in die menschliche Wahrnehmung? Jahrzehntelanges Forschen, vielfache Theorien, Gedankenexperimente und Laborversuche der Wissenschaftler haben ein erstaunliches und erschütterndes Ergebnis erzielt: sie kennen den Weg nicht! Es ist offensichtlich so, dass zwei Teilchen auch über große Entfernung ‚voneinander wissen‘ und merken, wenn eines von ihnen eine Veränderung erfährt und das andere dann auf diese Veränderung reagieren muss. Nicht etwa mit zeitlichem Abstand oder gar ‚sofort‘ nein, krasser noch: es spielt keine Rolle, welches Teilchen agiert und welches reagiert! Dieses Phänomen der ‚Verschränkung‘ (englisch ‚entanglement‘) von Quantensystemen ist so überraschend unwirklich und kontraintuitiv, dass sich eine detaillierte Betrachtung lohnt. Was genau passiert?

Untersuchen wir wieder das einfachstmögliche System, zwei Qbits, zwei verschränkte Elektronen. Wir wollen ein korreliertes Elektronenpaar erzeugen, die beiden verschränkten Einzelelektronen auf eine Reise schicken und beobachten, wie sich das magische Entanglement auf unsere Beobachtungen auswirkt. Die Elektronen befinden sich zunächst sehr nahe zusammen und besitzen den Gesamtspin Null:

    \begin{equation*} | \psi > = | + > | - > - | - > | + > \end{equation*}

| \psi > bezeichnet den Spinzustand des Gesamtsystems aus zwei Elektronen, deren Spins in entgegengesetzte Richtungen zeigen müssen. Das erste auf, das zweite ab, oder umgekehrt, und beide Möglichkeiten zu gleichen Teilen überlagert[4] (den Normierungsfaktor lassen wir weg). + bezeichnet irgendeine Richtung im Raum, und - die dazu entgegengesetzte.

Jetzt fliegen sie auseinander, haben aber immer noch Gesamtspin Null. Nach langer Zeit treffen sie auf Detektoren, die ihre Spinrichtung messen. Der linke Detektor ist auf +z (im Bild oben) optimiert. Jedes in +z Richtung polarisierte Elektron wird dort zu einem Signal führen und kein in -z Richtung polarisiertes Elektron. Wir untersuchen, wie sich die Stellung der Detektoren auf das Messergebnis auswirkt. Dabei wollen wir die Einstellung der Detektoren aber erst vornehmen, wenn die Elektronen schon weit voneinander entfernt sind, noch keines aber einen Detektor erreicht hat. Wir schicken einen Kollegen auf den Jupitermond Titan, das gibt uns selbst bei Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit fast eine Stunde Zeit. Die Elektronenquelle befindet sich etwa in der Mitte:

Jeder Detektor hat die gezeigten beiden Einstellmöglichkeiten, bei Trennung des Elektronenpaars stehen sie in der durchgezogen gezeichneten Stellung: meiner nach oben, auf Titan nach rechts oben. Wenn ich diese Stellung belasse und mein Detektor anspricht, muss mein Elektron + polarisiert und das auf Titan – sein. Dort spricht der Detektor mit Wahrscheinlichkeit[5] \frac { 1 } { 2 } \left( 1 - \cos 45 ^ { \circ } \right), also ca. 15 %, an und mit Wahrscheinlichkeit \frac { 1 } { 2 } \left( 1 + \cos 45 ^ { \circ } \right), also ca. 85 %, nicht an.

Der auf die Richtung A optimierte Detektor spricht auf den Zustand A mit der Wahrscheinlichkeit 1, auf A‘ mit Null und auf B mit der Wahrscheinlichkeit \frac { 1 } { 2 } \left( 1 + \cos 45 ^ { \circ } \right) an.

Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Detektoren ansprechen ist also 15 %. Wird während des Flugs der Elektronen ein Detektor umgestellt, so ändert sich nichts: nach wie vor sind die beiden Detektoren um 45° gedreht. Erst, wenn beide Detektoren umgestellt werden, ändert sich dieser Winkel auf 135°. Dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass beide Detektoren ansprechen (ja – ja = jj) bei \frac { 1 } { 2 } \left( 1 - \cos 135 ^ { \circ } \right) = 85 \%. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Detektoren nicht ansprechen (nein – nein = nn) ist genauso groß, also ebenfalls 85 %. Es wird in diesem Fall also so sein, dass von 100 Elektronenpaaren im Mittel 85 zu einer Übereinstimmung jj oder nn führen.

Betrachten wir nun eines dieser Elektronenpaare und nehmen an, es wäre eine jj Übereinstimmung. Dann hätte also das Erdelektron den Detektor ausgelöst. Nach allen Regeln der menschlichen Vernunft sollte dieses Elektron, kurz bevor es auf den Detektor trifft, nicht mehr von einem Geschehen auf Titan beeinflusst werden können. Wie sollte diese Beeinflussung auch ein Signal über eine derart weite Strecke übermitteln? Selbst das Licht braucht eine Stunde! Dann also müsste dieses Elektron den Erddetektor auch auslösen, wenn kurz vor seinem Eintreffen der Detektor auf Titan verstellt wird. Ein j auf der Erde gibt also immer ein j, unabhängig vom Geschehen auf Titan. Genauso ist es auch auf Titan: auch dort ist für ein bestimmtes Elektron ein j immer ein j, und ein n immer ein n. Dieser Zusammenhang ist in der EPR Ereignistabelle unten mit den geschwungenen Pfeilen angedeutet.

Im Falle, dass nur ein Detektor verstellt wurde, darf es für dieses Elektronenpaar keine Übereinstimmung geben. Denn das würde ja in 85 von 100 Fällen geschehen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Übereinstimmung im Fall, dass nur ein Detektor verstellt wurde, ist nach den Regeln der Quantenmechanik aber nur 15 %. Ein j auf der Erde erfordert also zwingend ein n auf Titan und umgekehrt. Dieser Zusammenhang ist in der EPR Ereignistabelle mit den geraden Pfeilen angedeutet.

In der obersten Zeile der Tabelle aber entsteht ein Widerspruch:

EPR Ereignistabelle

Der gerade Pfeil verlangt ein nj, die geschwungenen hingegen ein nn!

Der Widerspruch lässt sich nur auflösen, wenn wir unsere Annahme revidieren: Nach allen Regeln der menschlichen Vernunft sollte dieses Elektron, kurz bevor es auf den Detektor trifft, nicht mehr von einem Geschehen auf Titan beeinflusst werden können. Offensichtlich wird die Messung auf der Erde doch von einer Messung auf Titan beeinflusst! Die klassische Annahme, dass das Verhalten der beiden Elektronen an den Detektoren nach der Emission festliegt, steht in eklatantem Gegensatz zu den Messergebnissen!

Das quantenmechanisch richtige Ergebnis kann nur dadurch zustande kommen, dass die Stellung des weit entfernten Detektors im Moment seiner Messung in die Berechnung eingeht. Woher aber kann dieses ‚Wissen‘ vom weit entfernten Partner kommen? Schließlich kann das Experiment so eingerichtet werden, dass jeder Detektor erst kurz vor dem Eintreffen des Teilchens in die endgültige Lage gedreht wird.

Kann es ein Signal geben, das nach der ersten Messung zum anderen Detektor gelangt und dort die richtigen Ergebnisse anzeigen lässt? Nein, denn es gibt keine zeitliche Reihenfolge der Messungen! Da die Ereignisse A auf der Erde und B auf Titan einen raumartigen Abstand haben, gibt es immer ein Bezugssystem, in dem beide Messungen gleichzeitig erfolgen. Und es gibt ein Bezugssystem, bei dem Erde vor Titan misst und ein anderes, bei dem es gerade umgekehrt ist:

Darstellung der Ereignisse in einem Weltliniendiagramm: die Entfernung verläuft horizontal, die Zeit vertikal. Falls sich die Elektronenquelle näher bei Titan als bei uns befindet, wird es im Ruhesystem der Sonne dort zuerst eine Messung B geben. Zum gleichen Zeitpunkt ist auf der Erde in B‘ noch kein Elektron angekommen, es erreicht die Erde erst später in A. Für einen Reisenden, der sich mit hoher Geschwindigkeit von Titan zur Erde bewegt, würde die Messung A gleichzeitig mit A‘‘ auf Titan sein, also vor der Messung dort in B. Ereignis C ist die Emission des Elektronenpaars von der EPR Quelle.

Wie also kann die Information der Detektoreinstellungen so schnell auf die beiden Elektronen vermittelt werden, dass diese sich richtig verhalten und zu 15 % oder 85 % Übereinstimmung führen? Schließlich könnten die Detektoren erst sehr kurz, vielleicht eine Minute, vor Eintreffen des Elektrons zum letzten Mal verstellt worden sein. Eine Signalübermittlung selbst mit Lichtgeschwindigkeit würde etwa eine Stunde dauern, außerdem: welches Signal wäre es?

Welche Verbindung besteht zwischen den Ereignissen A auf der Erde und B auf Titan? Es gibt nur eine Verbindung, und die verläuft zwischen den Ereignissen A, C und B­ – oder umgekehrt. Es ist ein Weg in der Raumzeit, der keine Zeitrichtung kennt, denn diese wechselt bei C!

Ist dies ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung der Raumzeit-Eigenschaften für den Ablauf des Messprozesses, also den ‚Moment‘, wo ein reiner Zustand zu einer Dichtematrix kollabiert? Doch der Kollaps erfolgt nicht lokal und auch nicht in einem Moment!

Eine Messung basiert auf einer Änderung dieser geheimnisvollen Verbindung in der Raumzeit, die ‚irgendwie‘ verschwindet. Erst dann vereinfacht sich die komplexe Quantenwelt und wird als beobachtbares Phänomen wahrnehmbar.

Entropie und Gravitation, wie hängen sie zusammen?

Entropie wird vernichtet, wenn Materie in ein schwarzes Loch stürzt. Und es gibt einen Zusammenhang zwischen Entropie und Gravitation auch beim quantenmechanischen Messprozess, schließlich ist Gravitation nichts anderes als Raumzeitkrümmung, und eine Messung verbindet Messgerät und -objekt in der Raumzeit.

Passieren die entscheidenden Effekte dann, wenn der Schwarzschildradius von ähnlicher Größe wie die Compton Wellenlänge ist?

Betrachten wir die beiden Grenzfälle:

  1. Die Compton Wellenlänge ist viel kleiner als der Schwarzschildradius. Das ist bei den Gegenständen des täglichen Lebens der Fall, und erst recht bei den kosmischen Objekten wie Planeten, Sonnensystemen Galaxien und schwarzen Löchern. In diesem Fall bewegen sich die Dinge gemäß den Gesetzen der klassischen bzw. Quantenmechanik, üblicherweise den Kräften der elektromagnetischen Wechselwirkung folgend[1], oder, auf kosmischen Dimensionen, der Gravitation. Bei diesem Grenzfall (Sonne, Planetensystem, Gegenstände des täglichen Lebens) ist eine Wechselwirkung zwischen Gravitation und Quantenmechanik deshalb irrelevant, weil die Krümmung der Raumzeit auf der Quantenskala vernachlässigbar klein ist.
  2. Die Comptonwellenlänge ist viel größer ist als der Schwarzschildradius (zum Beispiel beim Wasserstoffatom mit dem System aus Elektron und Proton). Dann spielt die Gravitation keine Rolle, weil die Krümmung der Raumzeit durch die beteiligten Massen auf den Skalenlängen, wo die quantenmechanischen Effekte passieren, völlig vernachlässigbar ist. Wie im Fall 1. spielt die Gravitation auch hier keine Rolle.

[1] Für den Aufbau der Atomkerne interessieren wir uns an dieser Stelle nicht.

Jetzt aber zu dem interessanten Fall: die Comptonwellenlänge ist vergleichbar mit dem Schwarzschildradius, dies gilt exakt für die Planck’sche Einheitsmasse, sie ist 22 Mikrogramm:

    \begin{equation*} m _ { P } = \sqrt { \frac { \hbar c } { G } } \approx 2,2 \cdot 10 ^ { - 5 } g \end{equation*}

In diesem Bereich, wo die Krümmung der Raumzeit gegenüber den quantenmechanisch relevanten Dimensionen nicht mehr vernachlässigbar ist, beeinflusst Gravitation den Messprozess. Das Messobjekt spürt die Beeinflussung der Raumzeit durch ein Messgerät! Und umgekehrt – doch Achtung! – anders. Es gibt keine absolute Raumzeit, und deshalb sehen Messgerät und Objekt unterschiedliche Geometrien. Und wieder führt erst die Addition aller möglichen Pfade zum finalen Ergebnis: dem Verlust der festen Phasenbeziehung zwischen Objekt und Messgerät. Die kleinen Unterschiede in der Raumzeitwahrnehmung zerstören die Symmetrie und bewirken das Wachsen der Entropie. Nur durch Dekohärenz und Entropiewachstum wird Bewusstsein überhaupt erst möglich: Indem sie Komplexität vernichtet, erschafft eine ‚klassische‘ Messung wahrnehmbare Realität!

Erkenntnis- und Wissensgewinn braucht Entropiewachstum. In einem schwarzen Loch wird Entropie, und alles damit verbundene Wissen, vernichtet. Auf kosmischer Ebene stehen beide Prozesse in einer Balance, und auch für die Entropie gilt ein Erhaltungssatz, mit der eine Symmetrie der Raumzeit verknüpft ist.

Damit ist nicht nur die Kosmologie, sondern auch das Bewusstsein ohne das Äquivalenzprinzip und eine Theorie der allgemeinen Relativität nicht zu verstehen.


[1] Beides gleichzeitig ist bei einer elementaren Alternative nicht möglich

[2] Berechenbar, aber nicht in seiner Ontologie bekannt (shut up and calculate …)

[3] Die Punkte von Riemann- und Blochsphäre können mathematisch miteinander identifiziert werden. Aber sind sie auch ontologisch äquivalent? Schließlich steckt hinter einem Punkt u der Riemannsphäre ein Paar komplexer Zahlen v und w, von dem wir nur den Quotienten u=v/w übernommen haben und dabei einen v und w gemeinsamen komplexen Faktor (Normierung und Phase) auf der Strecke ließen!

[4] Die Überlagerung erfolgt mit Minuszeichen, denn nur dann ist die Zweiteilchenwellenfunktion antisymmetrisch und ein Vertauschen der beiden Elektronen würde das Vorzeichen ändern: wieder zeigt sich die faszinierende Eigenschaft halbzahliger Spinoren!

[5] Elektronen, deren Spin unter einem Winkel Θ zur z-Achse steht, werden mit einer Wahrscheinlichkeit \frac { 1 } { 2 } \left( 1 + \cos 45 ^ { \circ } \right)  gemessen (vgl. Bild)

[6] Für den Aufbau der Atomkerne interessieren wir uns an dieser Stelle nicht.