Kann man für Frieden überhaupt kämpfen?
Wenn nicht jetzt, wann dann willst du wenigstens einmal das Richtige tun?
Irgendwann ist es vielleicht so weit und nur noch Schweigen bleibt, das Beten und hoffen, die Fäuste in den Taschen. Doch noch gibt es Zeit, noch sind die Grenzen offen: Für die Wahrheit, die stärkste aller Waffen, die Kanonen nicht vernichten, aber zum Schweigen bringen kann.
Noch leuchten die Bilder der Solidarität auf fernen Handyschirmen und brennen Mut in den Kampf der Gejagten und Hoffnung in die Herzen der Verzagten. Millionen Bilder sind stärker als die Lüge und werden es schaffen, im Gefüge der dicksten Propaganda Risse zu bilden, die so fein sind, dass niemand sie sieht oder stopfen kann, für die die Wahrheit, die mächtigste unserer Waffen.
Noch ist es Zeit, noch werden unsere Reden gehört und Worte verstanden, werden Texte gelesen über die Realität, die schärfer als jedes Schwert ins Gesicht der Lüge schlägt. Ein ganzes Land ist unter Beschuss und kämpft mit verzweifelter Kraft gegen vielfache Übermacht. Jeder Tag ohne Gift in den Fernsehsendern und Telefonen ist ein Gewinn, jede Stunde mit ehrlichen Informationen gibt dem Widerstand einen Sinn. Jede Minute für die Freiheit, jede Sekunde fließt ein Stück Wahrheit an eine Stelle, die nie mehr gelöscht werden kann, die Erinnerung.
Wo liegt der Sinn, brennende Flaschen auf Panzer zu werfen, in denen mit zittriger Hand junge Kerle am Steuer ziehen, die kaum älter sind, als die Kinder, die vor ihnen fliehen. Jeder Tote im Krieg ist fürchterlich, und am furchtbarsten die, die niemand kennt. Panzer in Flammen, zermalmte Glieder, dürfen nicht in den Filtern der Propaganda verschwinden, sie müssen ewig bleiben, Menschen, die keine Statistik nennt. Der einzige Sinn der schrecklichen Bilder liegt in der Wahrheit, die sie zeigen.
Solange es Freiheit gibt, wird die Wahrheit nicht sterben, ihr gilt der Kampf. Wofür sind unsere Väter in endloser Generationenferne auf die Barrikaden gegangen, wenn nicht für die Freiheit? Sie wurden geprügelt in finstere Kerker gesteckt, manch einer von ihnen ist elend verreckt und das schlimmste Schicksal traf jene, die niemand kannte, deren Leiden und Sterben ohne Denkmal blieb, deren Namen in keinen Stein gehauen deren Ideen zu Asche verbrannte, die der Wind in die fernen Wolken trieb. Auch wenn ihre Gedanken in keiner Bibliothek zu finden sind, sind sie doch richtig und es ist wichtig, dass irgendjemand sie schon mal dachte. Vielleicht wurde ja doch ein Wort aufgeschnappt, auf heimlichem Zettel weitergereicht und in staunende Kinderaugen erzählt. Vielleicht fiel ja doch aus der fernen Wolke ein Krümel zu Boden, und trieb zu einem mächtigen Baum, der heute mit hundertfünfundsiebzig Jahresringen seine Äste in den Himmel streckt und an den großen Feiertagen Erinnerungen an jene weckt, die ihr Leben für die Freiheit gaben.
Der ewige Traum unserer Väter ist uns selbstverständlich geworden: Freiheit, die jetzt, Jahrhunderte später im Feuer steht. Ihr gilt der Kampf, und wenn sie untergeht, wird wieder nur die Erinnerung bleiben. Schwache Samen, die vielleicht irgendwann zu Bäumen treiben, unter deren Ästen bei den Erinnerungsfesten vielleicht einmal Reden erklingen und das hohe Lied der Freiheit singen.
Doch noch ist es nicht so weit, noch ist zum Handeln Zeit, um in den Frieden Sinn zu legen. Ohne Freiheit kann es Frieden nicht geben, nur Grabesruhe und Totenstille, aber kein Leben.
Gott möge mir vergeben, ich will es wagen, an den Menschen zu rütteln, an ihren Schneid zu appellieren. An die Tapferen, nicht aufzugeben. An die Zittrigen, ihre Stimme zu heben. An die Reichen, zu teilen. An die Armen, von dem wenigen, das sie selber haben, trotzdem etwas abzugeben. An die Starken, die Schwachen zu stützen, und sein es nur für eine Minute, denn auch die kann was nützen. Gott, steh mir bei, die richtigen Begriffe zu finden, gib mir gute Gedanken und verzeih, wenn ich sie Trost, Glaube und Liebe nenne, weil ich bessere Worte nicht kenne.
Wenn nicht jetzt, wann dann willst du nach draußen gehen und für irgendwas Wichtiges demonstrieren? Was wirst du ohne Freiheit sein, Märtyrer oder Marionette, flinkes Rädchen in einem Getriebe, oder dumpf im Schatten stehen? Wahrheit von Propaganda verbogen, Ideale von Despoten betrogen, Lügen schamlos ins Gesicht gelogen, wenn die Freiheit nicht bliebe.
Wenn nicht jetzt, wann dann, willst du den Hintern heben und dich am Fenster zeigen? Das ist viel besser als sitzenzubleiben und hilflos vor dem Unrecht zu schweigen. Solidarität ist wichtig und mitmachen ist richtig, und irgendwie werden auch deine Ideen bis nach Moskau fliegen und denen schwer im Magen liegen die mit Panzern Ideen bekriegen. Wenn nicht jetzt, wann dann zeigst du Solidarität und wirst Teil der gewaltigen Kraft, die Einigkeit schafft, und über Gräben springt. Ein Sog zum Licht, zur hellen Seite der Geschichte, die irgendwann in den Büchern steht. Was sie uns bringt, wissen wir nicht, aber wenn sie unsere Enkel lesen, können wir ihnen sagen, wir sind dabei gewesen.
Wenn nicht jetzt, wann dann, gibt es bessere Gelegenheit, deine Kraft zu zeigen und mitzumachen? Es gibt eine Stelle nur für dich, ein Fenster, an dem niemand sonst steht, eine Tür, verschlossen seit Ewigkeit, deren Schlüssel nur du besitzt, und der nur einmal im Leben passt.
Trau dich, jetzt ist die Zeit.