Das Wunder

Nachdem er Anja bei ihrem Flirt gesehen hatte, war die Geschichte in immer dunklere Kapitel fortgeschrittenen. Sein Kopf fügte dem kurzen Moment der Beobachtung eine Folge schmerzlicher Ergänzungen hinzu, in denen Anja und der Fremde sich immer näher kamen und in lustvollen Umarmungen die Welt um sich vergaßen, während er, Klaus, nun wieder solo seinen Weg alleine suchen musste.

Und dann geschah das Wunder: Ein einziger Satz hatte die Welt neu aufgestellt! Hätte Klaus nicht mit beiden Händen an der Tischkante Halt gefunden, er wäre als duftig weiße Wattewolke in den sommerblauen Himmel geschwebt, so leicht war ihm geworden. Verbarg sich doch hinter seiner Beobachtung kein dunkler Konkurrent, sondern eine leuchtend helle Wirklichkeit, die ihm und Anja lachend zu einer Party lud, von der sonst keiner wusste. Welch seltsamen Wegen folgte die Wahrnehmung, wenn sie in Bruchteilen einer Sekunde ganze Welten erschuf, nur um sie anderntags wieder zusammenstürzen und gänzlich neu erstehen zu lassen. Wie erkannte ein Mensch aus seinen Wahrnehmungen die Wirklichkeit? Irgendwie musste der Mensch mit seinem Sehen, Hören und Tasten einen Fußabdruck des Weltgeschehens erfassen und diese Spuren im Kopf zu einem Bild zusammensetzen, dass als Bewusstsein und Realität erfahrbar war.